Reiseglossen

Mögt ihr schwarzen Humor, Satire, Skurriles, Unglaubliches? Dann seid ihr bei den Reiseglossen richtig.

Hotelrezeption mit Haustierwaage?

Juni 2023

Hunde und Katzen sind in den Hotelzimmern erlaubt, sofern ihr Gewicht maximal 25 Kilo beträgt. So besagt es der Hinweis des Hotels Amistad aus der Kette „NH Collection“ im südspanischen Córdoba. Das wirft Fragen auf:

Was passiert, wenn zweibeinige Gäste nicht mit einem Dackel, Zwergpudel oder Chihuahua anreisen, sondern mit einer kapitalen Dogge oder einem wohlgenährten Kater namens „Garfield“?

Werden die Tiere beim Check-in an der Rezeption gewogen?

Sieht eine Waage für die behaarte Begleitung genauso aus wie eine für das Gepäck am Flughafen?

Ist das Hotelpersonal wirklich geschult genug, um Haustiere zu bändigen, damit sie in Ruhe gewogen werden können?

Was jedoch passiert, wenn sich vor Ort herausstellt, dass das Haustier das Limit sprengt? Dann dürfte wohl nur helfen: schnell Abführmittel ins Futter geben und eine Runde Gassi gehen.

Die Kette der „Best Western Hotels & Resorts“ versichert ihren Kunden zu wissen, „dass Ihr Haustier ein Familienmitglied ist“ – und preist eine Auswahl von über 1200 haustierfreundlichen Hotels in den USA, Kanada und der Karibik an. Dort dürfen Hunde – mutmaßlich gemessen an den Relationen zum Übergewicht ihrer landestypisch durch Cheese- und Hamburger gestärkten Frauchen und Herrchen – etwas mehr auf die Waage bringen. Die Grenze liegt bei 36 Kilo. Über Hunde hinaus sind laut „Best Western“-Website „andere Haustierarten wie Katzen, Vögel, Affen, Schlangen“ zugelassen. Das liege im „Ermessen der jeweiligen Anlage“, eine „vorherige Genehmigung ist erforderlich.» Bestenfalls darf man also mit seiner geliebten Kobra, dem Schimpansen oder einem Papagei anreisen.

Natürlich kosten die Tiere Gebühren: bei „Best Western“ bis zu 30 US-Dollar pro Tag bzw. 150 US-Dollar pro Woche. Dafür darf man maximal zwei Haustiere pro Zimmer mitbringen. Das Herz, das für Tiere schlägt, kennt allerdings Grenzen. Messerscharfe Zähne und Krallen, der Spieltrieb, der Instinkt der Nahrungssuche oder eine gestörte Verdauung können zu Nebenerscheinungen geraten. Daher gilt es bei „Best Western“ für Gäste mit einem Haustier, „möglicherweise eine Kaution für Schadenersatzkosten in Höhe von bis zu 150 $ pro Aufenthalt“ vorzustrecken.

Im Hotel in Córdoba kostet der Gesamtaufenthalt für bis zu zwei Haustiere pro Zimmer insgesamt 35 Euro – ein Schnäppchen also, zumal nichts da steht von einer Kaution. Komplett kostenlos sind übrigens Blindenhunde. Das könnte skrupellose Sparfüchse auf eine Idee bringen …

Büffetfundstücke

September 2022

Der krosse Speck auf dem Hotelbüffet in North Bay, Kanada, sieht lecker aus. Für einen stärkenden Tagesbeginn würden Eier dazu gut passen. Die Suche verläuft erfolglos, bis sie auf der Anrichte gegenüber in ungewohntem Rahmen auftauchen, von Deckenstrahlern in Szene gesetzt. Allerdings sind sie weder gerührt noch gebraten, sondern ruhen in einer Schüssel auf einem Eiswürfelbett neben Tetrapaks aus Mandelmilch mit Vanillegeschmack: hartgekocht, geschält und in Plastik eingeschweißt als Doppelpack.

„Eggs 2 go“ steht auf der Verpackung der Büffetfundstücke. Einfach aufreißen, fertig. Der Inhalt sieht aus wie Eier, hat die Konsistenz von Eiern und erinnert beim Selbstversuch im Geschmack irgendwie entfernt auch an Eier. Die frostige Temperatur bremst das Aroma aus. Die trübe Flüssigkeit, in der sie liegen, macht nicht gerade Appetit auf mehr.

Fest steht, dass man es bei den Doppelpacks nicht mit landestypischen Kostbarkeiten aus Kanadas Kulinaria-Landschaft zu tun hat. Was dahinter steckt, kann man sich über ein Schild im Aufzug leicht zusammenreimen: „Der tägliche Zimmerservice wird nicht angeboten. Sollten Sie einen Zimmerservice wünschen, müssen Sie es 24 Stunden vorher der Rezeption mitteilen.“

Bleibt nach den Eindrücken am Büffet und im Fahrstuhl zu fragen: Wo sollen die Sparmaßnahmen von Hotels noch hinführen? Muss man demnächst ab der zweiten Nacht überall sein Bett selber machen, das Klo und die Dusche und das Waschbecken putzen? Kein Problem, denn man ist ja durch eiskalte Eier gestärkt.

Hurra, sie sind wieder da!

3. November 2021

In Coronazeiten hatte man sie für eine verschwundene Spezies gehalten wie die Dinosaurier, nun ist sie zurück und auf dem Vormarsch: die Busreisegruppe. Das ist nervig, aber zugleich zutiefst beruhigend.

Andrang, auch "dank" Busreisegruppen, am Zugang zur Kathedrale von Santiago de Compostela

Zuletzt in Litauen tauchten sie plötzlich auf wie Erscheinungen – und das gleich dreifach. Zunächst ein Trio unterschiedlicher Reisebusse auf einem Parkplatz in der Seen- und Burgstadt Trakai. Dann deren Inhalte, die sich durch die Gassen und über einen Steg auf die imposante Inselfestung zuwälzten. Sie sind wieder da: Busreisegruppen! Eine davon ließ sich durch schwäbisch-bayrische Sprachfetzen als deutsche identifizieren.

Die gesichteten Herdentiere sah man frei von Abstandsgeboten und Masken ausschwärmen, warum auch? Wer, wie zu alten Zeiten, dicht gedrängt in den Busreihen sitzt und sich beim Frühstück und Abendessen gegenseitig über den Tisch hinweg anhustet, kann leicht auf Zwischenräume und Gesichtsdeko verzichten.

Nun sind sie wieder auf Achse, um Altstädte und komplette Inseln zu verstopfen, in Hotels beim Checkin und Checkout die Aufzüge in Beschlag zu nehmen, die Büffets in einer Mischung aus Gier und chronischer Unentschlossenheit zu blockieren. Die Begegnung in Trakai hat gezeigt, dass sie unterwegs vom Reiseleiter mit verbalen Springfluten überschüttet werden wie früher: je nach technischem Fortschritt über Lautsprecher oder, dezenter, über Audioguides. Auch Reiseleiter haben Nachholbedarf. Erst wieder üben müssen manche Teilnehmer die Praxis, die vom Tourguide abgelaichten Daten und Fakten mit den Infos in mitgebrachten Reiseführern abzugleichen und Einspruch zu erheben: „Hier im Buch auf Seite einhundertdreißig steht aber, dass …“ Derlei Übung ist durch die Pandemie gleichermaßen verloren gegangen.

Die exemplarische Beobachtung in Trakai hat bewiesen, dass die Altersstruktur der Herde, die hinter dem Leithammel (Erkennungszeichen: wahlweise ein hoch erhobener Regenschirm oder eine Tafel) hertrottete, erstaunlicherweise gemischt war. Nach all den Lockdowns und Restriktionen zieht es nicht nur Alte und noch Ältere, denen die Zeit bis zum Reiseruhestand davongaloppiert, in die Ferne. Auch Jüngere in ihren Dreißiger- und Vierzigerjahren waren darunter, alleine, zu zweit. Ebenso bemerkenswert war, dass die drei Gruppen alles andere als klein waren. Keine überschaubaren Zwanziger-Kontingente, sondern sicher das Doppelte. Soviel, wie halt reinpasst. Die krisengeschüttelten Reisebusveranstalter brauchen Einnahmen, was sie mit Airlines verbindet. Gerade noch wurden draußen im Terminal Hygieneabstände angemahnt, sitzt man drinnen im Flugzeug dicht an dicht. Logik? Keine. Wie so vieles in der Pandemie.

Blendet man den Nervfaktor aus, versetzt die Neusichtung der Busreisegruppen regelrecht in Euphorie. Hurra, willkommen zurück! Busreisegruppen mögen Verstopfung verbreiten, doch sie ernähren Menschen in Hotels, Cafés, Restaurants. Busgruppen stehen schlichtweg für die Rückkehr zur Reisenormalität. Das hat etwas zutiefst Beruhigendes.

Ein Plädoyer für Verständnis von Briten im Sommerurlaub

25. Mai 2020

Es gibt nach wie vor Briten, die karierte Hosen und damit ihre ganz eigene Definition von Modegeschmack hinaus in die Welt tragen. Letzten Winter war ich an einem Sonnentag an der Promenade von Brighton unterwegs, als sich ein Bild unauslöschlich in mein Gedächtnis brannte: Bermudas und Pudelmütze am selben Männerkörper. Am Abend bei einem Konzert des Symphonieorchesters kam die Kombination aus Jeans und roten Socken zur Geltung. Zum Glück nur im Publikum, nicht auf der Bühne, ebenfalls bei Männern. Entblättern sich Briten jederlei Geschlechts in Sommerkluft, wird es substanziell nicht besser, nur bleicher. Unter Tops und Muskelshirts nackte Haut im Farbton der Kreidefelsen von Dover.

Woher kommen die Menschen? Das mögen Unwissende fragen. Ihre altangestammten Territorien sind daheim von Tapeten in Blumenschaudermustern durchsetzt, kulinarischen Trauerspielen der Fish’n‘Chips-Buden, Teppichböden bis hin zum Abort und doppelläufigen Wasserhähnen. Unter dem einen Hahn verbrüht man sich die Finger, unter dem andern wartet die Kältespritze. Das prägt fürs Leben – und konfrontiert Kulturfremde mit Schockwirkungen. Deren Steigerungen sind jedoch die „Spritpreise“. Eine Flasche südenglischer Sekt, von dem ich bis dahin überhaupt nicht wusste, dass er existierte, schlug in Brightons Lokalen mit siebzig Pfund zu Buche. Ein Glas Wein kostete acht bis zehn Pfund. In ähnlichen Bereichen dümpelte ein schottischer Whisky, der als Geizpfütze kaum den Boden des Glases bedeckte. Auf Eis, das Gold der Gastwirte, hatte ich extra verzichtet, um exakt Maß zu nehmen. Das waren ernüchternde Erfahrungen.

Seither habe ich vollstes Verständnis für alle Briten, die im Sommer in Spanien nicht nur neue Weltrekorde im Sonnenbrandholen brechen, sondern einmal im Jahr so richtig auftanken. Eine Woche Komatrinken auf Ibiza oder Mallorca – da hat man den Preis für Flug und Unterkunft gleich wieder raus.

Vorsicht, Reiseleiter!

20. Mai 2020

Rund um den Globus begegne ich jener menschlichen Spezies, die sich „Reiseleiter“ nennt. Ich will nicht ungerecht sein und räume ein: Ja, es gibt einzigartig gute. Ilse in Wien. Valery in Russland. Ben in Laos. Doch die sind eher die Ausnahmen. Die meisten Vertreter dieser Gattung siedele ich im Sammelbecken der Gescheiterten an. Verhinderte Lehrer. Frustrierte Auswanderer. Erfolglose Hausmänner und -frauen. Biologen, Geografen, Kunsthistoriker, die das Studium übergangslos in die Arbeitslosigkeit katapultiert hat. Aber Fremde führen, das geht irgendwie immer.

Leider leiden viele Guides, und dies geschlechtsübergreifend, an einer Krankheit namens verbaler Inkontinenz. Was sich darin äußert, dass sie Wehrlose ohne Punkt und Komma zutexten. Sie versetzen ihre Opfer bereits nach wenigen Minuten mit Monologen in eine Art Wachkoma. Im selben Tonfall und in gleicher Länge gelingt es ihnen, die Fassade einer Kathedrale zu erklären, aber auch das neben der Kathedrale stehende Dixi-Klo. Die akustische Nötigung erreicht ihre Höhepunkte mit einer Abfolge an Jahreszahlen, Stileinflüssen, Thronfolgern (außer beim Dixi-Klo, da sind sie anonym). Also all das, was man als Normalreisender bereits vergisst, bevor es überhaupt ausgesprochen ist.

Liebe Reiseleiter und Stadtführer dieser Erde: Uns ist bewusst, dass Sie kein klösterliches Schweigegelübde abgelegt haben. Und Sie werden auch nicht dafür bezahlt, komplett zu verstummen. Aber ich flehe Sie im Sinne der Welt-Reisegemeinschaft an: Lassen Sie Gnade walten. Bitte legen Sie Pausen ein. Nicht jede Wartephase bei Rot erfordert zur Überbrückung der Zeit einen kulturgeschichtlichen Abriss zu Ampeln.

Statt endlos einen Mix aus Wikipedia-Wissen, Anekdoten und PR-Prosa abzulaichen, beherzigen Sie einfach den alten, immergültigen Spruch: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.