REPORTAGE

Das bunte Fest der „Mauren und Christen“ in Villena, Spanien

Wer Anfang September eines der buntesten Volksfeste in Spanien erleben will, reist in die Provinz Alicante ins Städtchen Villena. Dort steigt das Fest „Mauren und Christen“ (spanisch: „Moros y Cristianos“).

Ausgelassen, bunt, schrill und in höchsten Dezibel-Sphären geht es zu, irgendwo zwischen Karneval und Dauerperformance. Es ist ein Rausch der Farben, der Musik, der Kostüme. Ein Freudentaumel, der sich Anfang September über mehrere Tage erstreckt. Schauplatz ist das Städtchen Villena, das einmal im Jahr beim Volksfest „Mauren und Christen“ („Moros y Cristianos“) Kopf steht. Fast die Hälfte der Einwohner macht bei den Festumzügen mit. Bis zu 15.000 Leute sind auf den Beinen. Dann herrscht Ausnahmezustand in Villena, das 360 Tage im Jahr im Hinterland der Küstenprovinz Alicante friedlich vor sich hin schlummert. Beim Durchstehvermögen während der Feierexzesse helfen manche Teilnehmer mit Vitaminpräparaten nach.

Partytime auf den Straßen

Warum „Mauren und Christen“? Dazu müsst ihr die Uhr ins Mittelalter zurückdrehen, als in Spanien die Kämpfe zwischen beiden Glaubensparteien tobten. Auf der einen Seite standen die alteingesessenen Christen Spaniens, auf der anderen die Mauren, die 711 von Nordafrika her ins Land eingefallen waren, den Islam mitgebracht und sich ausgebreitet hatten.

Die christlichen Streiter feierten einen Schlachtenerfolg nach dem nächsten, bis letztlich 1492 das letzte Maurenreich in Spanien fiel. Insofern erinnern die „Mauren und Christen“-Feste, wie es sie auch in anderen Orten gibt, eigentlich an den Sieg der „richtigen“ Religion über die „falsche“.

 

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Bei den Umzügen wird an nichts gespart

Doch darum geht es bei den Feierlichkeiten allenfalls am Rande. Es geht auch nicht um historische Logik. Das Fest der „Mauren und Christen“ liefert den idealen Vorwand, um einmal im Jahr so richtig abzufeiern und die Lust am Lärm auszuleben. Die eigentlichen Gewinner sind die Zuschauer, die bei den Umzügen klasse Straßenshows geboten bekommen: mit Tanz, Musik, Choreografien, Verkleidungen. Was für eine Partytime!

Frauenpower bei den Umzügen

Das Gerüst der Feiern bilden 14 Festvereine, jeweils sieben „Mauren“ und sieben „Christen“. Highlights im Festprogramm sind der „Große Einzug“ („Gran Entrada“) und anderntags der „Große Umzug“ („Gran Cabalgata“). Beide Umzüge erstrecken sich über Stunden durch beflaggte Straßen. Es braucht seine Zeit, bis die Teilnehmer auf der knapp zwei Kilometer langen Strecke durch die Stadt marschiert sind. Dabei versucht sich jeder in den Mittelpunkt zu spielen, den Moment der Aufmerksamkeit auszukosten, das Bad in der Menge zu nehmen. Wilde Schlachtrufe erklingen. Es regnet Luftschlangen, Konfetti, Beifall.

Die Lieblinge der Massen sind kurioserweise die „Mauren“ mit ihren Schnabelschuhen, Pluderhosen und Krummsäbeln. Ursprünglich war das Fest eine Männerdomäne, doch die haben die Frauen längst aufgebrochen. „Die Frauen haben größeren Glanz gebracht“, sagt Andrés Luis Sánchez, der zum Festverein der „Neuen Mauren“ gehört und während der Feiertage knallgelbe Schuhe trägt.

 

 

Tipps für Besucher

Der oberste Survivaltipp für Besucher lautet: Wer sein Trommelfell liebt und keinen Gehörschaden davontragen will, sollte sich von freudigen Gewehrsalven fernhalten. Dann in Villena lässt man es krachen. Manchmal steht der Pulverdampf aus historischen Büchsen über den Altstadtplätzen, den Gassen, der Burg.

Was ist ein klassischer Anfängerfehler von Besuchern? María José Domene vom Festverein der „Neuen Mauren“ weiß Bescheid: „Der größte Fehler ist es, uns zu fragen, ob wir uns verkleiden. Nein, wir verkleiden uns nicht, wir kleiden uns. Das ist ein Teil von uns“, sagt sie.

Weitere Tipps:

Es gibt entlang der Umzugstrecke reservierungspflichtige Sitzplätze, doch eigentlich braucht man die als Zuschauer nicht. Ebenso gut kann man an der Strecke dahinter stehen und sieht reichlich.

Ebenso kann man auf eine Unterkunft in Villena verzichten. Der Festtrubel ist ein guter Grund für einen Ausflugstag von der Mittelmeerküste her. Falls ihr doch übernachten wollt, ist der nahe Ort Biar die bessere Wahl – denn da ist es nachts ruhig.

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Auch die Männer tragen Schminke beim Mauren-und-Christen-Fest in Villena